Von Schwalben und Wanderfalken

Siemens liefert neben modifizierten ICEs inzwischen auch seine Nahverkehrszüge Desiro nach Russland. Foto: Lori/Legion Media

Siemens liefert neben modifizierten ICEs inzwischen auch seine Nahverkehrszüge Desiro nach Russland. Foto: Lori/Legion Media

Die Russische Bahn baut ihr Streckennetz weiter aus und modernisiert Lokomotiven und Waggons. Neben Siemens kommen auch deutsche Mittelständler zum Zug.

Würde man immer geradeaus fahren, käme man zweimal um die Welt und könnte dann noch von Moskau an den Baikalsee rattern. Eine Strecke von 85 000 Kilometern bedient die Russische Eisenbahn Rossijskije Schelesnyje Dorogi (RSchD). Doch obwohl sie mit ihren regionalen Gesellschaften ein gigantisches Netz betreibt, herrscht gerade in entlegenen Gebieten großer Nachholbedarf. Nun kündigte ein RSchD-Sprecher ein milliardenschweres Investitionsprogramm an, 2,4 Billionen Rubel (etwa 57,1 Milliarden Euro) sollen es bis 2015 sein. Für nächstes Jahr seien bereits Projekte im Wert von fast 10 Milliarden Euro geplant.

Milliarden für die Transsib


Davon werden vor allem die Baikal-Amur-Magistrale (BAM) und die Transsibirische Eisenbahn profitieren. Auch die Transport-infrastruktur in den Hafenstädten des Fernen Ostens soll ausgebaut werden.
Priorität genießt auch die Erneuerung des Maschinenparks. Hier kommen deutsche Firmen ins Spiel: Mit großem Erfolg wird der Schnellzug Sapsan eingesetzt, zu Deutsch „Wanderfalke". Die an russische Verhältnisse angepassten ICEs pendeln seit 2009 zwischen Moskau und Sankt Petersburg, seit 2010 steuern sie auch Nischnij Nowgorod an. 2006 lieferte Siemens acht Sapsans für 276 Millionen Euro, nun sollen acht weitere folgen. Auch bei den neuen Regionalzügen sind die Münchner beteiligt. Im Juni unterzeichnete RSchD mit Siemens und der russischen Sinara-Gruppe einen Vertrag über 1200 Waggons des Elektrozuges Desiro, der den Namen „Lastotschka" (Schwalbe) tragen wird. Auftragsvolumen: zwei Milliarden Euro.


Die Modernisierung der Russischen Eisenbahn bietet auch deutschen Mittelständlern Chancen. Die Berliner Firma Prokonzept lieferte die Technologie für das Wartungswerk des Sapsan in Sankt Petersburg, ein Auftrag über mehr als 20 Millionen Euro, so Torsten Frühauf, geschäftsführender Direktor. Auch die Moskauer und Sankt Petersburger Metro benötigten Reparaturanlagen, er sei mit den Bahn- und Verkehrsgesellschaften im Gespräch, berichtet Frühauf.


Desiros aus dem Ural


Allerdings will die russische Regierung die Produktion der Züge in Zukunft im Land behalten. Als Beispiel für eine erfolgreiche „Lokalisierung" nannte Wladimir Putin den Desiro Rus: Laut Vertrag stelle man ein Drittel der Bauteile in Russland her, produziert werde dann fast vollständig in der Region Swerdlowsk, und zwar im Joint Venture Uralskiye Lokomotivy. Allein Siemens wird zur Erweiterung der Produktions­kapazitäten 200 Millionen Euro beisteuern. Schon heute baut der Konzern hier die neue elektronische Güterlokomotive 2ES10. 221 dieser Lokomotiven sollen für insgesamt 1,1 Milliarden Euro montiert werden. Die „Schwalben" dagegen werden vorläufig 
im Krefelder Siemens-Werk produziert.


Lokalisierung gegen Zölle


Bei der Lokalisierung muss auch Prokonzept mitziehen, wenn es den Staatsauftrag für die Wartungstechnik erhalten will. „Mindestens 50 Prozent müssen aus Russland kommen", so Frühauf. Vor einer vollständigen Verlagerung der Produktion schreckt er indes zurück: „Das Qualitätsmanagement entspricht nicht unserem Standard." Deshalb will er „erst mal lose Verbindungen" zu russischen Unternehmen aufnehmen und „sehen, wie die reale Zusammenarbeit läuft." Beim Russlandgeschäft locke „die ex-trem zahlungsfähige Nachfrage". Russen seien fixiert auf allermodernste technologische Lösungen. „Sie wollen nicht den Durchschnitt", so seine Erfahrung. Frühauf baut auch darauf, mit Hilfe der Lokalisierung die Einfuhrzölle umgehen zu können. „Die Abgaben machten die Systeme bisher um 20 bis 30 Prozent teurer."

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