Der als „Husaren-General“ berühmt gewordene französische Kavalleriegeneral Antoine Charles Louis de Lasalle sagte einmal:
„Ein Husar, der mit dreißig Jahren immer noch am Leben ist, ist ein Schuft.“
Diese Beschreibung galt auch den Husaren des zaristischen Russlands des 18. und 19. Jahrhunderts. Mutig bis geisteskrank waren es die Husaren, die Schlachten oft erst entfesselten. Sie schlugen als erste zurück und griffen in Windeseile an. Da sie jedoch oft nur leicht bewaffnet und ihre Uniformen mehr Schmuck denn Schutz waren, wurden sie oft schwer verwundet.
In Friedenszeiten wendeten sich die Husaren vor allem ihrem Ruhm und Stolz zu – und waren immer für ein ziviles Duell zu haben. Aus der Sicht russischer Militärkommandanten waren die Husaren die Art von Menschen, die den nervenaufreibenden Lebensstil des ständigen Überlebenskampfes einfach brauchten.
Das erste russische Husaren-Regiment entstand unter Peter dem Großen, bestand jedoch nicht sehr lang. Einen echten Aufschwung erlebte die Husarenkultur innerhalb der russischen Armee erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Damals reformierte Katharina die Große die Ukrainische Kosaken-Armee: Es entstanden fünf kleinere Husarenregimenter sowohl eine Husaren-Leibgarde. Die neu entstandenen Husarenverbände bestanden vorwiegend aus Kosaken, nutzten deren Kommando-Systeme und wurden inspiriert von deren draufgängerischen Traditionen.
So konnte man beispielsweise nicht nur über den regulären Einzug zur Armee Husar werden, sondern auch jeder andere gesunde, kräftige junge Mann konnte sich den Regimentern anschließen. Dazu musste der junge Husar in spe nur in die Städte Minsk oder Mogilew (beides heute Belarus) reisen, wo die Husaren damals improvisierte „Musterungen“ durchführten.
Diese „Musterungen” waren vor allem eines – feuchtfröhlich. Oft glichen sie Schlägereien unter Säufern, wenn gut angeheiterte Husaren unter dem Kommando ihrer Unteroffiziere Weinfässer die Straßen herunterrollten und allen jungen Männern gut einschenkten, die gerade vorbeikamen. Den Wein finanzierte das Regiment mit etwa acht Rubel pro Person – eine unglaubliche Summe, wenn man bedenkt, dass zu jenen Zeiten etwa 16 Kilogramm Brot nur einen Rubel kosteten! Die jungen Männer der Städte schwärmten aus zu diesem köstlichen Gratisumtrunk und nahezu täglich konnten die Husaren dann völlig benebelte junge Städter mit in ihre Regimentskasernen nehmen.
Die Husaren waren eigentlich eine leichte, berittene Einheit mit Säbeln und Pistolen. Sie trugen knallig-bunte Uniformen – jede Einheit hatte ihr eigenes Design. Alle aber waren sie inspiriert von denen der frühen Ungarischen Husarenverbände. Im Kampf zeichneten sie sich vor allem durch Schnelligkeit aus: Sie waren furchtlos und flexibel. Um fit zu bleiben, unterwarfen sie sich einem außergewöhnlich harten Drill.
Das Nachladen einer Pistole ist eine akribische Tüftelei, und noch schwieriger wird es, wenn das im Nebel, Dauerregen und reitend, in vollem Galopp, geschehen muss. Husaren mussten das können – im Training drohten ihnen harte Strafen, wenn sie zu langsam waren oder sich ein falscher Schuss löste: 200 Schläge mit einer Eisenstange auf den Rücken war so eine übliche Strafe.
Sie standen täglich um fünf Uhr morgens auf, misteten die Pferde aus und fütterten die Tiere, noch bevor sie selbst frühstückten. Der Tag bestand aus militärischen Übungen und Reittraining und endete nie vor 18 Uhr. Trompeter gaben die Zeit an – diese wurden oft als „Aristokratie der Husaren“ bezeichnet. Im Kampf befanden sie sich mitten im Schlachtfeld und übermittelten Signale zu Formationswechsel, Angriff oder Rückzug. Insgesamt gab es über 50 solche wichtigen Trompetensignale für den Kampffall. Die Husaren-Trompeter konnten diese sogar im Galopp abgeben.
Sergej Wolkonskij
George DaweAnsonsten bestimmte das Trinken den Alltag – aber auch hierfür gab es strenge Regeln. Count Osten-Sacken beschrieb das folgendermaßen:
„Das sah sehr soldatisch aus: Den Boden bedecken mehrere Teppiche, in der Mitte steht ein großer Topf, Zucker kocht im Rum; darum herum sitzen die Männer in Reihen und halten ihre Pistolen in den Händen… Wenn der Zuger dann geschmolzen ist, wird Champagner hinzugegeben und der fertige Drink ‚Sschenka‘ (ein Getränkt aus Rum, Sekt und geschmolzenem Zucker) wird dann in die Pistolenläufe eingeschenkt – so beginnt der Umtrunk…“
Weitere beliebte Mixgetränke waren Sekt, Rum, Punsch und Minzwodka. Es war üblich, einen oder zwei Monate lang ein Getränk zu trinken, und dann zu einem anderen zu wechseln. Allein zu trinken galt jedoch auch schon bei den Husaren als „völlig inakzeptables Benehmen“.
Natürlich blieben auch Eskapaden nicht aus. So schrieb der Husar Sergej Wolkonskij, der später zu den Dekabristen gehören sollte.
„Betrunken ritten wir zur Krestowskij-Insel in Sankt Petersburg. Es war ein Feiertag im Winter, viele Deutsche waren an den Hügeln unterwegs. Wir teilten uns in zwei Gruppen und beobachteten ihre Menge. Immer wenn sich deutscher Junge oder ein Mädchen auf einen Schlitten setzte, zogen wir ihnen das Gefährt unterm Hintern weg, sodass sie am Ende auf ihrem Allerwertesten den Berg hinunterrodelten… Balaschow, der Generalgouverneur von Sankt Petersburg, rief mich später zu sich und übergab mir eine Rüge des Zaren höchstpersönlich…
(…)
Wir hassten den französischen Botschafter de Caulaincourt (das war zu Zeiten der Napoleonkriege)… Viele von uns stellten ihre Besuche in Häusern ein, die er oft besuchte. Einer der Ausbrüche unserers Ärgers sah dann so aus: Wir wussten, dass in de Caulaincourts Wohnzimmer eine Napoleon-Büste über einer Art Thronstuhl stand. Mehr Möbel gab es dort nicht. Wir sahen das als Beleidigung Russlands an. In einer Winternacht fuhren einige von uns mit dem Schlitten an seinem Haus am Ufer vorbei und warfen einen Stein in diesen Raum. Das Fenster zerbrach. Am nächsten Tag begannen die Beschwerden und Ermittlungen, aber bis heute weiß niemand, wer damals in dem Schlitten gesessen hatte.“
Husaren besuchten regelmäßig alle wichtigen Bälle der feinen Gesellschaft, die wohlhabendsten unter ihnen veranstalten auch selbst Tanzabende. Solche Bälle waren teuer: An nur einem Abend verbrannten Hunderte, wenn nicht gar Tausende Wachskerzen. Dazu noch Essen, Getränke,…
„Er gab nur drei Bälle im Jahr und verschwendet schließlich (sein Glück)“, schrieb Alexander Puschkin dazu in seinem Versroman „Eugen Onegin“.
Faddej Bulgarin beschreibt die Rolle der Bälle im Alltag der Husaren so:
„Wir erhielten einen scherzhaften Auftrag… die deutschen Mädchen mit Tänzen zu foltern. Mit Begeisterung erfüllten stürzten wir uns in die Erfüllung – und tanzten, bis wir selbst umfielen. Die hübschen deutschen Mädels waren begeistert! Nach einem verschwenderischen Abendessen, um drei Uhr morgens, nach einer mächtigen Feier im Namen der antiken Götter Bacchus und Aphrodite, begann die Masurka und endete erst um sieben Uhr morgens… Wir befahlen unseren Soldaten, den Dienern die warme Kleidung der Gäste abzunehmen und schickten sie mit deren Kutschen nach Hause – so mussten fast alle Gäste bis zum Morgengrauen bleiben.“
Die große Anzahl der Deutschen im damaligen russischen Zarenreich erklärt sich dadurch, dass viele Deutsche während der Napoleonkriege nach Russland geflohen waren, wo sie sich unter ebenfalls deutschen Herrschern offensichtlich wohlfühlten.
Russische Husaren – das waren junge, energiegeladene Männer, die immer etwas erleben wollten. Der Husar Sergej Marin beschreibt das Lebensgefühl in einem Brief an einen Freund, dass sein Bataillon seine Hobbies wechsle wie die Handschuhe: im Winter spiele man Schach, im Frühling Billard, im Sommer bauten sie Fontänen und im Herbst gehe es zur Jagd.
In der Militärethik des 19. Jahrhunderts wurde der Tod als ganz normaler Teil des Lebens angesehen, der, wenn nötig, einfach akzeptiert werden sollte. Ein ein fröhliches Husarenlied klang so:
„Zwinkere nicht, wenn eine Kugel pfeift. Bleib mutig im Kampf. Halte dein Pferd bei der Attacke nicht zurück, vertrau Gott deine Seele an, und wenn nötig, dann stirb!“
In Friedenszeiten drängte es die Husaren immer wieder hin zum Tod – in zivilen Duellen beispielsweise um nahezu alles Mögliche.
Der Kornett mit dem Spitznamen Bujanow (deu: Sohn des Schlägers) trug jenen nicht grundlos. Er überstand sein erstes Duell in Moskau, nachdem ein Offizier der Zarengarde behauptet hatte, Bujanows Regiment sei zu lahm. Bujanow verletzte seinen „Peiniger“ leicht, wurde dafür entlassen und in den Kaukasus verbannt.
Drei Jahre später konnte er erneut als Kornett in sein altes Regiment zurückkehren. Innerhalb nur eines Jahres aber forderte er den Provinzgouverneur zum Duell heraus, weil jener die Ehefrau eines Kameraden Bujanows beleidigt haben soll. Er wurde wieder verbannt, diesmal kehrte er erst nach vier Jahren wieder zu seinem Regiment zurück. Dort allerdings duellierte er sich mit einem Offizierskameraden. Mit dem dritten Ausschluss vom Husarendienst war Bujanows dann jedoch völlig verloren.
Husarenoffiziere hatten offenbar ein sehr extremes Verhältnis zum Tod: Sie waren bereit, ihre Ehre mit der Waffe zu verteidigen. Als das Husarenregiment aus Grodno 1807 gemeinsam mit der preußischen Armee in Preußen gegen Napoleon kämpfte, kam es zu einem Vorfall zwischen einem preußischen Offizier und dem russischen Husarenleutnant Podgorichani.
Der Preuße war ein guter Schütze und wählte die Pistole als Duellwaffe. Podgorichani war unbewaffnet und schlug darum vor, dass er sein Leben im Kartenspiel verteidigen werde: Wer gewinnt, tötet den Gegner, so die strenge Regel. Podgorichani gewann. Alle anwesenden Offiziere folgten den beiden Duellanten in den Garten, der Preuße hielt da alles noch für einen harmlosen Spaß. Aber: Podgorichani nahm ein Messer und tötete den Preußen direkt – mit den Worten:
„Ich spaße nicht mit dem Tod. Hätte ich verloren, hätte ich an seiner Stelle gestanden und sicher dazu gebracht, dass er mich tötete.“
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