Früher war alles besser: Die Sonnenseite der Sowjetunion

Markelow/Sputnik
Noch immer beklagen viele Russen den Untergang der Sowjetunion. Dafür gibt es durchaus Gründe.

Bedauern Sie den Untergang der UdSSR? Dann haben Sie etwas gemeinsam mit zwei Dritteln der Russen (66 Prozent). Das hat eine Umfrage (rus) des Lewada-Zentrums im Dezember letzten Jahres ergeben. Nie zuvor haben sich so viele Menschen in der postsowjetischen Geschichte die UdSSR zurückgewünscht.

Um besser verstehen zu können, warum das Ende des Sowjetstaates auch 30 Jahre später von vielen als Katastrophe betrachtet wird, muss man verstehen, was die früheren Sowjetbürger heute vermissen. Wir haben nachgefragt.

Ein Gefühl von Sicherheit 

Dass die Sowjetunion Sicherheit geboten hätte, ist eine der häufigsten Antworten, jedoch aus verschiedenen Gründen. Das Leben dort konnte recht langweilig sein, doch das wurde in Kauf genommen für Planbarkeit, ein zwar beschiedenes, aber gesichertes Einkommen und ebensolche Renten, das Vorhandensein von Grundgütern und eine gewisse Chancengleichheit sowie verschiedene soziale Dienste und Dienstleistungen wie ein regelmäßiger kostenloser Aufenthalt in einem Sanatorium.

„Niemand musste Angst haben, als Bettler auf der Straße zu landen. Man wurde versorgt“, erinnert sich Olga aus Moskau. „Das war sehr angenehm.“

Der Filmregisseur Nikolai Burljajew stimmt ihr zu: „In der UdSSR wusste jeder, dass die Zukunft gesichert war. Niemand musste sich fragen, ob er morgen noch Arbeit und Wohnung hätte oder die Kinder ernähren könne. Das ist heute ganz anders.“  

Die Schattenseite: Es hatte auch Nachteile, ein fremdbestimmtes Leben zu führen. Karrieremöglichkeiten, Gehälter und die persönlichen Freiheiten waren sehr begrenzt in der UdSSR. Zudem gab es zwar unter Umständen tatsächlich eine Wohnung oder ein Auto kostenlos vom Staat, doch man musste jahrelang darauf warten. Wer sich gegen den für ihn bestimmten Weg wehrte, der wurde wie ein Verbrecher behandelt. Beispielsweise wurde man wegen Sozialparasitismus angeklagt, wenn man länger als vier Monate nicht gearbeitet hatte.  

Nationalstolz 

„Als ich ein kleines Mädchen und Mitglied der Jungen Pioniere [einer Pfadfinderbewegung in der UdSSR] war, taten mir die Menschen in anderen Ländern leid, denn ich war überzeugt, dass es keinen besseren Staat als unseren geben könnte“, erzählt Irina.

Kein Wunder - der Staat war geschickt darin, die Jugend für seine Ideale zu begeistern. Die waren auch nicht schlecht: Völkerfreundschaft, eine klassenlose Gesellschaft, Frieden, keine Armut, keine Gier oder andere Laster (kurz gesagt: Kommunismus …).

„In der Theorie waren die moralischen Grundsätze der UdSSR richtig“, meint Olga. „Man arbeitete an etwas Größerem, nicht bloß für Geld.“

Die Schattenseite: Als totalitärer Staat war die UdSSR großartig darin, Ideale zu propagieren, aber sie verschwieg ihren Bürgern auch die Wahrheit, so dass es einfach war, stolz auf den Staat zu sein. „Kritik wurde bestraft. Jeder, der es wagte, eine andere Meinung als die der [kommunistischen] Partei zu haben, wurde zum Paria“, sagt der Geologe Juri Ketschedschijan. Gegen Ende der Sowjetunion haben wohl nur noch Kinder geglaubt, dass die UdSSR mit ihrer vor dem Zusammenbruch stehenden Wirtschaft und den endlosen Schlangen vor den Geschäften der beste Staat der Welt sei. 

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Alle waren gleich (mehr oder weniger) 

Die Sowjetunion war ein bescheidenes Land. Es war verpönt, zu sehr nach Reichtum zu streben. Die Mehrheit der Bevölkerung hatte ohnehin keinerlei Vermögen, mit Ausnahme der Parteibosse. Mehr als Geld zählte zum Beispiel Bildung. „Wir haben die Lehrer damals, anders als es heute oft der Fall ist, mit Respekt behandelt”, schreibt etwa Natalja Smirnowa im Internet. „Wenn jemand Professor war, war das wie adelig sein.“ 

Gleichheit bedeutete in der UdSSR: fast niemand hatte viel, aber fast jeder hatte etwas. „Sicher, es gab in der UdSSR eine Art Elite - hohe Beamte, angesehene Wissenschaftler, Künstler, die Privilegien genossen, etwa ein Landhaus vom Staat oder ansonsten knappe Güter in Hülle und Fülle“, so Olga Kowalewskaja in „Express Gaseta“. „Aber der Gehaltsunterschied zwischen Top-Managern und einfachen Arbeitern war nicht so hoch wie er heute ist.“  

Die Schattenseite: Wenn wir die Aussage oben realistischer betrachten, müssen wir dem Internetnutzer Daniil Prochorow zustimmen. Er schreibt auf „TheQuestion“: „Jeder konnte sich schlechtes Essen oder schlechte Kleidung leisten.“ 

Für die Masse der Bürger gab es keinen materiellen Überfluss. Zwar waren die Grundbedürfnisse gesichert, doch selbst wer sehr hart arbeitete, konnte sich selten etwas mehr leisten. Warum also viel Energie in die Arbeit stecken? Dies ist einer der Gründe, warum die sowjetische Wirtschaft so schnell zusammengebrochen ist.

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