Die verheerendsten Erdbeben in der Geschichte der UdSSR

David Turnley/Corbis/Getty Images
Das Erdbeben in der armenischen Stadt Spitak im Jahr 1988 war zehnmal so zerstörerisch wie die Atombombe von Hiroshima. Innerhalb von 30 Sekunden verschwand die Stadt vom Erdboden.
  1. Zerstörung von Aschgabat

Am 6. Oktober 1948, gegen 1 Uhr früh, wurde die Hauptstadt der Turkmenischen Sozialistischen Sowjetrepublik (SSR), Aschgabat, von einem Erdbeben der Stärke 7 bis 10 auf der Richterskala erschüttert. Die fragilen, einstöckigen irdenen Häuser, die den größten Teil der Architektur der Stadt ausmachten, stürzten fast augenblicklich ein und wurden für Tausende der Stadtbewohner zum Grab.

„Die Lichter gingen aus ... Einige Sekunden lang hörte man in der Dunkelheit ein Rumpeln von zusammenbrechenden Gebäuden und das Knacken berstender Balken“, erinnerte sich Tikhon Boldyrev vom örtlichen Rettungsdienst. „Ein dumpfer Lärm, wie ein tiefes Seufzen , hallte durch die Stadt, gefolgt von einer tödlichen Stille. Die Luft war voller dichtem, alles erstickendem Staub. Kein einziges Geräusch, kein einziger Hilferuf, kein Laut eines Tieres - als ob unter den Ruinen absolut jedes Lebewesen umgekommen wäre. Erst etwas später waren die ersten Lebenzeichen zu hören: Hilferufe und das Stöhnen der Verletzten, das Weinen der Kinder und das Wehklagen über den Verlust von Angehörigen. “

Bei einigen Industrieunternehmen, von denen es in der Stadt über 200 gab, brachen Brände aus. Die Bewohner versuchten, ihre Verwandten aus den Trümmern zu bergen, oft ohne Erfolg. Die Insassen aus dem zerstörten örtlichen Gefängnis flohen und holten Waffen aus Polizeistationen. Plünderungen, Raub und Mord nahmen dramatisch zu.

Um in der Katastrophe Menschenleben zu retten, wurden Soldaten, Polizisten, medizinisches Personal, Lebensmittel, Medikamente, Kleidung, Baumaterialien und Ausrüstung nach Aschgabat geschickt. Da alle Krankenhäuser in Trümmern lagen, wurden provisorische Krankenstationen direkt auf den Straßen eingerichtet. Aufgrund der Gefahr einer Infektion hatten die Ärzte keine andere Wahl, als verletzte Gliedmaßen zu amputieren, die unter normalen Bedingungen hätten gerettet werden können.

Bei diesem Erdbeben, einem der zerstörerischsten in der Geschichte, kamen 30.000 bis 100.000 Menschen in Aschgabat und der Umgebung ums Leben. 1949 begannen die Arbeiten zum Wiederaufbau der turkmenischen Hauptstadt, die von Grund auf neu errichtet werden musste.   

  1. Untergang von Severo-Kurilsk

Am 5. November 1952 ereignete sich 130 Kilometer vor der Halbinsel Kamtschatka im Pazifik ein starkes Erdbeben der Stufe 9 auf der Richterskala. Um 5 Uhr morgens spürten die Menschen an der sowjetischen Küste die Erschütterung.

Die Schäden in den Siedlungen waren relativ gering. Sie beschränkten sich auf Risse im Boden und an den Gebäudewänden. Das Erdbeben löste jedoch etwas viel Schrecklicheres aus - einen Tsunami. Insbesondere für eine sowjetische Stadt erwies sich dies als tödliche Gefahr.

Die erste Welle traf Severo-Kurilsk auf Paramushir, einer der Kurilen-Inseln, 20 Minuten nach dem Beben. „Wir waren noch nicht im Bezirksamt angekommen, als wir ein donnerndes Geräusch und dann ein Krachen vom Meer hörten", erinnerte sich der Staatssicherheitsbeamte Deryabin. „Wir haben uns umgedreht und sahen eine riesige Wasserwand auf die Insel zukommen. ... Ich gab den Befehl, die Menschen zu warnen und schoss in die Luft. Dabei rief ich: ‚Wasser!‘ Gleichzeitig machten wir uns auf den Weg in die Berge. Als die Leute den Lärm und die Rufe hörten, rannten sie aus ihren Wohnungen, mit dem, was sie gerade am Leibe trugen, oft nur Unterwäsche und keine Schuhe. Sie folgten uns auf eine Anhöhe.“ 

Eine halbe Stunde nach der ersten traf eine zweite, noch zerstörerischere, bis zu 20 Meter hohe Welle die Insel. Die Leute waren schon wieder dabei, den Hügel zu verlassen. Als die Leute dachten, das Schlimmste sei vorbei, stiegen sie bereits von den Hügeln zurück zu ihren Häusern. Diese zweite Welle versetzte den schrecklichsten Schlag. „Überall auf dem Boden lagen Leichen verstreut“, erinnert sich Lev Dombrovsky. „Ein Mann hing an einem Kran. Aus Plattenbauten waren Fenster und Türen herausgerissen und das Dach abgedeckt worden.“

Die dritte Welle, die bald darauf folgte, fegte alles aufs Meer hinaus, was noch übrig war.  Ganze Häuser, Dächer und Trümmer schwammen vor der Küste, dazwischen immer wieder Leichen. Nach offiziellen Angaben kostete die Katastrophe in Severo-Kurilsk 2.336 Menschenleben - mehr als die Hälfte der Stadtbevölkerung.

  1. Tragödie in Armenien

Das Spitak-Erdbeben mit einer Stärke von bis zu 9 auf der Richterskala dauerte kaum eine halbe Minute, aber das war lang genug, um die Hälfte der Armenischen Sozialistischen Sowjetrepublik zu zerstören. Die Energie, die an diesem schrecklichen Tag, dem 7. Dezember 1988, im Epizentrum freigesetzt wurde, war zehnmal so zerstörerisch wie die der Atombombe, die auf Hiroshima abgeworfen wurde.

Das Epizentrum des verheerenden Bebens war die Stadt Spitak im Norden des Landes. „Zuerst gab es ein sehr starkes Grollen. Dann, nach ein paar Sekunden, begann der Boden zu beben. Ich wurde ein paar Meter zur Seite geworfen “, sagt Augenzeuge Gayk Margaryan. „Ich bin aufgestanden. Ich wollte aus dem Fenster springen, aber es war zu spät. Nach einigen Sekunden gab es ein zweites Beben. Alles schwankte so heftig, dass es unmöglich war, aufrecht zu stehen.“

Die zweiten Stoßwellen waren viel stärker als die ersten. Mehrstöckige Gebäude stürzten wie Kartenhäuser ein und begruben unter den Trümmern diejenigen, die es nicht geschafft hatten, herauszukommen. Der Asphalt bewegte sich wellenförmig auf und ab. In den Bergen tat sich eine sechs Meter tiefe und 37 Kilometer lange Erdspalte auf.  

Von der Stadt Spitak blieb praktisch nichts mehr übrig. Weitere zwei Dutzend Städte und etwa 300 Dörfer waren vom Erdbeben betroffen. Etwa 25.000 bis 45.000 Menschen starben, 140.000 erlitten teils lebensgefährliche Verletzungen und mehr als eine halbe Million wurden obdachlos.

Die Sowjetunion unterstützte Armenien mit allen verfügbaren Ressourcen. 111 Länder weltweit haben humanitäre Hilfsgüter in die Erdbebenzone geschickt. Mit Hilfe von Soldaten und Freiwilligen wurden 16.000 Menschen aus den Trümmern geborgen und mehr als 40.000 aus den am schlimmsten betroffenen Gebieten evakuiert.

„Das Schlimmste waren nicht die vielen Toten, die in den Stadien, auf den Plätzen und den zerstörten Straßen lagen und mit Teppichen, Decken und Blumen abgedeckt waren“, erinnerte sich die Korrespondentin Natalya Kozlova. „Die Überlebenden sorgten für Gänsehaut. Wie Gespenster schlichen sie umher. Niemand schrie oder sagte etwas von sich aus ... Wenn man ihnen eine Frage stellte, antworteten sie, nahm man sie an der Hand, folgten sie. Ließ man sie jedoch los, drehten sie sich wieder um und gingen zurück.“

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