10 Karrierestufen eines sowjetischen Kommunisten: Von den Windeln bis zum Staatsoberhaupt (TEIL 1)

Kira Lisitskaya (Global Look Press / Scherl, wikipedia.org / Oleg - 73, wikipedia.org / Jbarta)
Vom kleinen „Oktoberkind“ und Pionier zum Parteichef: Der kommunistische Lebensweg eines Sowjetbürgers begann schon in jungen Jahren. Wie viele Stufen musste man normalerweise durchlaufen und wie hoch konnte man aufsteigen?
  1. Oktoberkind

Machen wir uns ein Bild von einem idealen und vorbildlichen Kommunisten und schauen wir an, wie sich seine Parteikarriere theoretisch hätte entwickeln können. Nennen wir ihn Petja.

Mit sieben Jahren kommt Petja in die Grundschule und kann seiner ersten Jugendorganisation beitreten. Er wird ein Oktjabrjónok, ein „Oktoberkind“ und erhält ein Ehrenabzeichen in Form eines roten Sterns, auf dem Wladimir Lenin als Kind abgebildet ist.

Ein Oktoberkind.

Der Titel Oktjabrjónok leitet sich von der Bezeichnung Oktoberrevolution ab, die allgemein als Bezeichnung für die bolschewistische Revolution von 1917 verwendet wurde. (Das lag daran, dass es 1917 auch die Februarrevolution gab). Die allerersten „Oktoberkinder“ gab es 1924 und sie waren eigentlich genauso alt wie die Revolution.

„Oktoberkinder“ wurden in der Regel in Gruppen eingeteilt und mit älteren Kindern im Alter von 14 bis 16 Jahren zusammengebracht. Sie mussten in der Schule gut lernen, ein vorbildliches Verhalten an den Tag legen, Erwachsene und Ältere respektieren und im Allgemeinen sauber und ordentlich sein. Die Schülerinnen und Schüler einer Gruppe sollten immer freundlich zueinander sein, gemeinsame Aktivitäten organisieren, singen, malen und das Leben genießen.

Als „Oktoberkind“ muss Petja von nun an den Ehrenkodex einhalten, der mit der Zugehörigkeit zu einer solchen kommunistischen Kinderorganisation einhergeht.

  1. Pionier

Im Alter von neun Jahren, also etwa in der dritten Klasse, hat Petja die Möglichkeit, in die Pionierorganisation einzutreten. Die Jungen Pioniere (oder offiziell Mitglieder der Allunions-Pionier-Organisation „Wladimir-Lenin“) bildeten die größte Kinderorganisation in der UdSSR. Formal ähnelte sie den Pfadfindern, doch ihr Schwerpunkt lag auf der kommunistischen Erziehung.

Pioniere nehmen an einer Parade auf dem Roten Platz teil.

Die Pioniere wurden dazu erzogen, nützlich zu sein und einen Beitrag zur sowjetischen Gesellschaft zu leisten. Sie sammelten Altpapier und Altmetall und brachten es zu den Recycling-Zentren (oft wetteiferten sie darum, wer mehr brachte). Die Pionierorganisation hatte ihre eigenen Regeln und Gesetze: Pioniere mussten dem Vaterland treu sein, sich gut benehmen, aktiv im Kollektiv arbeiten und fleißig sein.

Ihr Motto lautete: Immer bereit! Petja begeistert sich für die Arbeit, für die Verteidigung des Vaterlandes und für die Ideale der Kommunistischen Partei. Er würde gerne ein Held werden (und wenn er nach dem Zweiten Weltkrieg geboren worden wäre, neidisch auf diejenigen sein, die die Nazis besiegt haben oder Partisanen waren). Petja hilft auch alten Menschen dabei, die Taschen mit Einkäufen zu tragen oder die Straße zu überqueren.

Pioniere im Sommerlager.

Von nun an muss Petja ein rotes Halstuch und ein Abzeichen mit einem roten Stern tragen, auf dem eine Flamme und Lenin abgebildet waren (allerdings schon als Erwachsener). Wenn Petja ein vorbildlicher Pionier ist, hat er das Glück, einen Gutschein für den Aufenthalt in einem Sommerlager zu erhalten – die Glücklichsten dürfen ans Meer fahren und das legendäre und kultige Pionierlager Artek auf der Krim besuchen.

  1. Komsomóljez

Im Alter von 14 Jahren wird Petja die Ehre zuteil, dem Leninistischen Kommunistischen Allunions-Jugendverband (oder kurz Komsomol) beizutreten. Dies ist bereits eine ernste Angelegenheit, denn es handelte sich um eine politische Jugendorganisation, die oft als der kleine Bruder der Kommunistischen Partei bezeichnet wurde. Das Abzeichen des Komsomol zeigte eine rote Fahne und das Porträt von Lenin.

Um die Mitgliedschaft im Komsomol zu beantragen, muss Petja Empfehlungen von Kommunisten oder erfahrenen Komsomolzen vorlegen. Außerdem muss er eine Prüfung vor einer Kommission der kommunistischen Partei bestehen.

Aushändigung eines Komsomol-Ausweises.

Petja kann jedoch leicht aus der Organisation ausgeschlossen werden, wenn er sich schlecht benimmt, keine guten schulischen Leistungen erbringt oder die kommunistische Ehre verletzt. Keine guten Karten hat Petja auch, wenn ein Familienmitglied im Gulag eingesessen hat.

Wenn Petja aus dem Komsomol ausgeschlossen werden würde, hätte er keine Chance mehr, der Kommunistischen Partei beizutreten!

Petja kann bis zu seinem 28. Lebensjahr Mitglied des Komsomol sein. Diese Mitgliedschaft hilft in der Regel in der Oberschule sowie bei der späteren Arbeitssuche. Komsomol-Mitglieder mussten einen nur geringen Mitgliedsbeitrag entrichten.

Komsomol-Mitglieder helfen beim Bau von Verteidigungslinien bei Moskau, 1941.

Gleichzeitig muss ein Komsomóljez in seiner Freizeit auf Baustellen, bei der Ernte in den Kolchosen und bei vielen anderen Tätigkeiten mithelfen, was ihm in der Regel die Chance bietet, etwas Geld dazuzuverdienen.

  1. Sekretär einer Komsomol-Organisation

Der Sekretär des Komsomol-Komitees des Moskauer Automobilwerks zeichnet einen Komsomolzen-Mechaniker mit einer Ehrenurkunde aus.

Jede Oberschule hat ihre eigene Komsomol-Organisationszelle, die Treffen organisiert und Arbeiten für die Schüler vermittelt. (1977 gab es mehr als 36 Millionen Komsomol-Mitglieder) Sie veranstalten sogar eine Art öffentliche Anhörung, bei der ein Schüler mit schlechten Schulnoten oder unkommunistischem Verhalten vor einem großen Publikum verurteilt wird.

Komsomol-Funktionäre beim Besuch des Allunionskongresses der Organisation, 1970.

Wenn Petja jedoch ein aktiver Jugendlicher ist, der gut lernt, Sport treibt und ein großes Vorbild für andere ist, kann er Sekretär (Leiter) seiner Komsomol-Zelle werden. Diese Position bringt mehr Respekt (und Geld) und natürlich zusätzliche Verantwortung mit sich.

  1. Vom Kandidaten zum Parteimitglied

Ab dem 18. Lebensjahr hat Petja das Recht, die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei zu beantragen. Doch um sich für dieses Recht zu qualifizieren und die Ehre zu haben, der Partei beizutreten, muss Petja beweisen, dass er dies verdient hat. Zunächst muss er Kandidat der Partei werden, um „sich mit dem Programm und dem Statut der Kommunistischen Partei vertraut zu machen und sich darauf vorzubereiten, Mitglied der Partei zu werden“, heißt es in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie.

Kandidatenmitglieder hatten das Recht, an Parteiversammlungen teilzunehmen, konnten aber nicht abstimmen.

Die Kandidatur, eine Art Probezeit, konnte von einigen Monaten bis zu drei Jahren dauern. Trotz Wladimir Lenins Vorgabe, einen Kandidaten vor echte Herausforderungen zu stellen, um ihn zu testen, war der Kandidatenstatus in Wirklichkeit eher eine Formalität.

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