Raissa Gorbatschowa (Mitte) und der Pariser Couturier Yves Saint-Laurent während einer Modenschau im Januar 1985
Getty Images„First Ladys“ im allgemeinen Verständnis der Sowjetzeit waren bei Weitem nicht alle Ehefrauen von Staatsoberhäuptern. Für die sowjetische Obrigkeit gab es kein diplomatisches Protokoll, das vorgeschrieben hätte, Staatsbesuche in Begleitung der Ehefrau abzustatten. Ihre Frauen konnten die Öffentlichkeit meiden oder sogar den Bürgern des eigenen Landes unbekannt bleiben.
Sie kleideten sich betont bescheiden wie Millionen sowjetischer Frauen. Ein tiefes Dekolleté stand unter dem Verdacht, vom Aufbau des Kommunismus abzulenken. Die Trendwende leitete Nina Chruschtschowa ein.
Nina Chruschtschowa (links) und Jacqueline Kennedy auf dem Gipfeltreffen zwischen US-Präsident John F. Kennedy und dem sowjetischen Staatsoberhaupt Nikita Chruschtschow in Wien 1961. Foto: Ullsteinbild/Vostock-Photo
Als „First Lady“ verdient Chruschtschowa allein schon deshalb bezeichnet zu werden, weil sie die erste Ehefrau eines Parteiführers war, die ihren Mann auf Staatsbesuchen begleitete. Sie war auch die Erste, die für ihren eigenwilligen Geschmack den Spott der Öffentlichkeit auf sich zog. Chruschtschowa war zweifellos „eine aus dem Volk“ und pflegte einen bäuerlichen Stil: ein wenig plump, mit Blümchenmuster und lockerem sackartigem Schnitt. Der sollte ihr dann auch böse mitspielen.
Während eines historischen Staatsbesuchs in den USA zeigte sie sich in einem etwas lang geratenen Sommerjackett, das dort als „Kittelkleid“ bezeichnet wurde. Die Lage spitzte sich zu, als sich für ein Gruppenfoto die amerikanische Stilikone Jacqueline Kennedy neben ihr platzierte. Vor diesem Kontrast hatte die einfache, häuslich gekleidete Chruschtschowa nicht die geringste Chance. Das Motiv ging um die Welt, und Chruschtschowa schien sich für immer das Image der typischen sowjetischen Kolchosebäuerin eingehandelt zu haben.
Das erstaunliche Detail dieser Geschichte: Nina Chruschtschowa ließ sich ihre Kleider von der damals berühmten Schneiderin Nina Gupalo nähen, die bereits Stalins Tochter und bekannte Schauspielerinnen eingekleidet hatte, sich in der Welt des Modedesigns also zu bewegen wusste.
Unter Chruschtschow übrigens, im Jahr 1959, wurden in Moskau die ersten Präsentationen westlicher Mode veranstaltet. Es reiste Yves Saint-Laurent an, damals Geschäftsführer des Modehauses Christian Dior. Eingeladen zu diesem Ereignis wurde ausschließlich die politische Elite.
Erinnerungen von Zeitgenossen und Freunden zufolge kochte Viktoria Breschnewa sehr gut. Sie soll den persönlichen Köchen sogar die Lieblingsgerichte ihres Mannes beigebracht haben. Der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew und seine Frau Viktoria 1982 in Moskau. Foto: Getty Images
Die Tradition, sich aus der breiten Masse der sowjetischen Frauen keinesfalls abzuheben, setzte auch die nächste First Lady fort – Viktoria Breschnewa. Einen öffentlichen Status beanspruchte sie für sich allerdings nicht. Und die seltenen Male, in denen sie sich der Öffentlichkeit zeigte, kleidete sie sich eher ein wenig bieder und dezent, oder wie manche es nannten – trostlos.
Ihre Garderobe, wie die der übrigen Parteielite auch, wurde in dem berühmten Modehaus am Kusnezki Most in der Moskauer Innenstadt entworfen und dann in sowjetischen Fabriken genäht.
In der Sowjetunion konnte man zu dieser Zeit bereits ausländische Ware kaufen, etwa im Kaufhaus GUM am Roten Platz oder in den Berjoska-Läden für Diplomaten, die ihr Sortiment in ausländischer Währung anboten (offiziell war der Handel in Fremdwährung verboten). Breschnewa aber interessierte sich für diese Möglichkeiten nicht sonderlich, anders als ihr Mann Leonid.Er vereinte in sich die Merkmale eines echten Dandys, kaufte Hemden und Krawatten im Ausland. Selbst das „Jeans-Fieber“ ging an ihm nicht vorbei – er zeigte sich der Öffentlichkeit gelegentlich in einer Denim Jacke.
Raissa Gorbatschowa studierte Philosophie und Soziologie an der Lomonossow-Universität in Moskau. Ihre Dissertation im Fach Soziologie schrieb sie über das Leben der Kolchosbauer. Foto: Nikolai Malyshev / TASS
Die „russische Jacqueline Kennedy“ war eindeutig Raissa Gorbatschowa. Mit ihrer stilvollen und stets passenden Garderobe zog sie sogar den Neid des Volkes auf sich. Die „kommunistische Lady mit Pariser Chic“, wie man sie im Westen nannte, wurde in ihrer Heimat scharf kritisiert. Eine First Lady, die auf Staatskosten mit einem Sonderflug aus Paris Kostüme von Yves Saint-Laurent und Pierre Cardin einfliegt, war nicht gut gelitten.
Tatsächlich aber ließ sich Gorbatschowa, auch wenn sie sich in der Pariser Haute-Couture-Szene gerne aufhielt und dort Modeschauen besuchte, von Tamara Makejewa einkleiden, einer Designerin aus dem renommierten Modehaus an der Kusnezki Most. Dennoch machte sie sich erfolgreich dafür stark, den Markt für Labels wie Cardin und Saint-Laurent zu öffnen, und brachte „Burda Moden“ mit einer Niederlassung nach Moskau. Später entwarf ihre Garderobe auch der russische Modeschöpfer Valentin Judaschkin, der sich als bekanntester Designer der postsowjetischen Ära profiliert hatte.
„Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau. So eine Frau war Raissa Gorbatschowa. Sie hatte ein hervorragendes Stilgefühl und keine Angst, Stereotype zu brechen.“Pierre Cardin, Couturier
15. Oktober 1995: der russische Präsident Boris Jelzin mit seiner Frau Naina während des Staatsbesuches in Frankreich. Vladimir Rodionov / RIA Novosti
Alle First Ladys nach Gorbatschowa blieben der sowjetischen Tradition treu und führten ein Leben im Schatten ihrer Männer. Ihre Garderobe zeichnete sich durch einen vornehmen klassischen Stil aus, vorherrschend waren helle, beigefarbene Töne und konservative Schnitte.
Boris Jelzins Gattin Naina änderte ihr Outfit mit den Verwerfungen im Land. Auf die wilden 80er mit schrillen Kostümen und Dauerwelle folgte die vornehme Zurückhaltung klassischer Chanel-Mode.
Die ehemalige Frau von Wladimir Putin, Ljudmila, hat unter anderem als Sprachlehrerin gearbeitet. Sie beherrscht vier Fremdsprachen: Deutsch, Spanisch, Französisch und Portugiesisch. Ljudmila Putina mit ihrem Ehemann Wladimir Putin beim Staatsbesuch in Großbritannien am 24. Juni 2003. Foto: Alexey Panov / RIA Novosti
Wladimir Putins Ex-Frau Ljudmila zog ebenfalls einen farblich schlichten klassischen Stil vor. Ihr Markenzeichen war die Vorliebe für Stickereien am Revers. Diesen modischen Pfiff ahmten schnell viele Frauen in gehobenen Positionen nach. Gelegentlich holte sie sich auch den Rat angesehener russischer Designer – etwa von Igor Tschapurin, Viktoria Andrejanowa und Slawa Saizew. Letzterer hatte ihr zu jenem Hut mit ausladender Krempe geraten, der 2003 während eines Staatsbesuchs in Großbritannien für einen Skandal sorgte. Der Hut war größer als der der Königin. Wie russische Medien außerdem berichten, hat Putina ein Faible für Konfektionskleider, vor allem für Kollektionen von Burberry.
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