150 Jahre „Der Idiot“: Fünf Erkenntnisse aus Dostojewskis Meisterwerk, die Sie zu leben lehren

Jurij Jakowlew als Fürst Myschkin in der Verfilmung "Der Idiot" von 1938

Jurij Jakowlew als Fürst Myschkin in der Verfilmung "Der Idiot" von 1938

Sputnik
Fjodor Dostojewskis Kultwerk „Der Idiot“ wird dieses Jahr 150 Jahre alt. In ihm verbinden sich die christliche Weltsicht des Autors mit seiner Fast-Hinrichtung zu einem Meisterroman, der seinen Lesern noch heute in allen Lebenslagen beistehen kann.

1 Der vollkommene Menschen in einer grausamen Welt

Jeder fragt sich manchmal, ob er/sie denn nun eine gute oder schlechte Person sei. Ob verkatert oder frustriert von der Alltagsroutine. „Warum kann ich nicht perfekt sein – ein guter, alle liebender Mensch, der jedem selbstlos hilft?", fragen wir uns in unruhigen Zeiten. Aber ganz ruhig! Dostojewskis „Idiot“ zeigt Ihnen, dass es gar nicht so gut sein muss, perfekt zu sein.

Denn der Protagonist des Romans, Fürst Lew Myschkin, ist so ein idealer Mann. Dostojewskijs präsentiert einen perfekten Mann, voller Sympathie für alle und fähig, jeden in der Welt der bösen, schmutzigen Menschen zu verstehen. In den Entwürfen des Schriftstellers bezieht sich Dostojewski explizit auf Myschkin als einen „Fürsten Christus“. Und so gelingt Myschkin tatsächlich Christus ähnlich: voller Liebe und Vergebung, ohne jede Spur von Ärger.

Die Leute um ihn herum jedoch sehen in Myschkin nur einen Schwachsinnigen – eben einen Idioten. Sein guter Wille zahlt sich nur selten aus. Im Roman endet Myschkins Weg wenig glücklich.

2 Die Vielfalt unvergesslicher Charaktere

Jeder Charakter in dem Roman (und davon gibt es viele!) ist in gewissem Maße besessen von etwas oder jemandem.  Sei es Myschkins Liebe zu Nastassja Filippowna, einer Frau, die in ihrer Kindheit missbraucht wurde, und darum als abscheulich und "gefallen" gilt. Sie selbst teilt diese Ansicht übrigens. Oder sei es der 18-jährige Ippolit, der an einer Phthisis dahinsiecht und versucht Selbstmord zu begehen.

Dostojewski bringt hier die tiefsten, fast mystischen Seiten seiner Charaktere zum Vorschein. "Alle Gesichter sind hell und farbenfroh, beleuchtet von elektrischem Licht, das sie auf übernatürliche Weise zum Leuchten bringt und man möchte sie tiefer betrachten", schreibt der russische Publizist Apollon Majkow im 19. Jahrhundert, ein Zeitgenosse Dostojewskis, über dessen „Idiot“.

3 Ein mutiges und seltenes Experiment

Während seiner Arbeit an „Der Idiot“ musste Dostojewski die Geschichte völlig neu konzipieren. Zunächst sollte es ein Buch über einen Schelm werden, der schließlich zu Gott fände. Doch dann wandte sich Dostojewski vielmehr der Frage zu, ob das christliche Ideal – verkörpert durch Myschkin – in der realen Welt überhaupt wünschenswert ist.

Für dieses literarische Experiment musste der Autor so nah wie möglich an der Realität bleiben – also schrieb er ohne ein bestimmtes Ende in seinen Gedanken. Er schlug nur Umstände vor und schrieb nieder, wie die Helden in Übereinstimmung mit ihrer Natur reagieren würden. Das war nicht einfach.

"In meinem Kopf schwindelte es. Es ist ein Wunder, dass ich nicht verrückt geworden bin", erklärte Dostojewski selbst einem Freund in einem Brief.

4 Des Autors Erfahrungen mit dem nahen Tod

Fjodor Dostojewskij, Porträt von Ilja Gljasnow

In einem der ersten Kapitel erzählt Fürst Myschkin die Geschichte eines zum Tode Verurteilten. "Seine drei Beschreibungen der letzten Momente eines Verurteilten zählen zu den spannendsten in der Literatur, umso mehr, da wir wissen, dass sie nicht erfunden sind", erläutert Gary Saul Morson, Professor für Geistes- und Sozialwissenschaften an der Northwestern University.

In der Tat wurde Dostojewski 1849 selbst zum Tode verurteilt, weil er Mitglied eines revolutionären Kreises, den Dekabristen, war. Wenige Minuten vor der Hinrichtung im Zentrum Sankt Petersburgs wurde ihm dann jedoch mitgeteilt, dass Zar Nikolaus I. ihm die Todesstrafe durch jahrelange Zwangsarbeit ersetzt hatte. Doch bis dahin hatte der Schriftsteller bereits tagelang auf seinen Tod gewartet. Diese schreckliche Erfahrung veränderte ihn und seine Weltsicht stark.

5 Fenster ins Russland des 19. Jahrhunderts

Bis zu einem gewissen Grad diktierte ja das Leben Dostojewski, was er schreiben sollte: Seine Figuren lesen dieselben Artikel in den gleichen Zeitungen wie er und seine Zeitgenossen damals. Außerdem lieh er sich einen sehr wichtigen Mord von der Wirklichkeit selbst.

Dostojewski schrieb den Idioten, während er im Ausland lebte. Er hatte selbst Angst davor, den Kontakt zu seinem Mutterland zu verlieren und wollte, dass das Buch die aktuellen Interessen trifft. Er las alle russischen Zeitungen und achtete dabei besonders auf die Eilmeldungen. Falls Sie also etwas über das Russland des 19. Jahrhunderts erfahren wollten, dann ist „Der Idiot“ ein sehr guter Anfang.

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