Die schönste russische Emigrantin (FOTOS)

Kira Lisitskaja (Foto: La Russie Illustrée; Public Domain)
1931 war Marina Schaljapina, die Tochter des großen russischen Opernsängers Fjodor Schaljapin, die schönste russische Emigrantin. Ihre Erscheinung hinterließ bei allen, die ihr begegneten, einen bleibenden Eindruck. In Erinnerung geblieben ist sie aber vor allem wegen ihrer außergewöhnlichen Karriere, unter anderem als Marineoffizierin.

Marina Schaljapina war die Tochter von Fjodor Schaljapin und Maria Petsold, seiner Mätresse und späteren Frau. Bald nach der Revolution waren sie gezwungen auszuwandern, da Schaljapins Besitz und Ersparnisse konfisziert wurden. Nur dank der Intervention des Schriftstellers Maxim Gorki konnte Schaljapin eine Zeit lang als künstlerischer Leiter des Mariinski-Theaters (ehemals Kaiserliches Theater) arbeiten und wurde sogar zum ersten Träger des Titels Volkskünstler der Sowjetunion. Die Familie hatte jedoch immer finanzielle Schwierigkeiten, das Essen auf den Tisch zu bringen, und bei Marina wurde eine schwere Form von Tuberkulose diagnostiziert.

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Boris Kustodijew. Porträt von Martha und Marina Schaljapin, 1920. Aquarell auf Papier.

Im Jahr 1921 wurde das junge Mädchen mit Hilfe von Freunden zur Behandlung nach Finnland gebracht, und Schaljapin selbst erhielt die Erlaubnis, ins Ausland zu reisen. Da er die Weitsicht besaß, ein Haus in Paris zu kaufen, zog er bald mit Petsold, ihren Kindern und fast allen Kindern aus seiner ersten Ehe dorthin. Marina, die inzwischen wieder genesen war, zog ebenfalls in die französische Hauptstadt.

F. I. Schaljapin mit seiner Tochter Marina. Paris. 1931.

Zu diesem Zeitpunkt waren bereits viele russische Aristokraten ausgewandert, darunter die Primaballerina Matilda Kschessinskaja, die von skandalösen Gerüchten über eine Verbindung mit Nikolaus II. verfolgt wurde. Die neunjährige Marina wurde in ihr Ballettstudio geschickt.

Sorin Sawelij Abramowitch. Porträt von Marina Fjodorowna Schaljapina.

„Ich wollte unbedingt Ballerina werden und auf der Bühne des Bolschoi-Theaters tanzen. In Paris lernte ich im Kschessinskaja-Studio, das es das beste in Europa war. <...> Mein Vater behandelte Kschessinskaja mit großem Respekt. Er verstand besser als jeder andere, dass der Weg eines großen Künstlers nicht immer mit Rosenblättern übersät ist", sagte Marina in einem Interview mit dem Kommersant.

Schaljapins Familie. Tirol. Kitzbühel. 1934.

1927 wurde Schaljapin die Rückkehr in sein Heimatland untersagt. Der Grund dafür war seine karitative Hilfe für Emigrantenkinder. Die sowjetische Regierung konnte nicht dulden, dass Schaljapin mit seiner Geliebten Petsold zusammenlebte, obwohl er offiziell in Russland verheiratet war. Die Familie erkannte schließlich, dass ihr Platz nun in Europa war.

Marina Schaljapina hatte keinen besonderen Wunsch, Miss Russland zu werden, aber ihr Sinn für Abenteuer war geweckt, und sie fühlte sich von anderen bedeutenden russischen Emigranten unter Druck gesetzt. „Ich tanzte eines Abends bei Matilda Kschessinskaja. Im Saal saßen [der Literaturnobelpreisträger Iwan] Bunin, [der Impressionist Konstantin] Korowin und, ich glaube, auch [der Schriftsteller Alexander] Kuprin. Sie hatten die Idee, unter den Emigrantinnen eine Miss Russland zu wählen. Sie schauten mich prüfend an und verkündeten dann einstimmig: ‚Das ist unsere Miss Russland!‘“

Nach ein wenig Überredung willigte Marina ein. Bei dem Wettbewerb ging es in erster Linie um gute Manieren, Talent und vornehme Herkunft. Die moralischen Qualitäten der Kandidatinnen waren entscheidend. 

Nach ihrem Sieg hatte Marina eine Schar von Bewunderern - schließlich galt sie als die schönste Frau der russischen Emigrantengemeinde.

Russischer Opernsänger Fjodor Schaljapin (1873-1938) mit seiner Tochter Marina in Amerika.

Marina musste den Traum von der Ballerina wegen einer Beinverletzung aufgeben. Stattdessen begann sie sich für Autorennen zu interessieren. Als sie 1938 von Rom nach Paris zurückkehrte, um ihren Vater zu besuchen, erfuhr sie von einem Zollbeamten am Flughafen, dass er an Leukämie gestorben war.

Nach dem Tod ihres Vaters ging sie nach New York, um an der School of Interior Design zu studieren. Danach zog sie nach Wien, um dort Theater- und Ballettdirektorin zu werden. Aber nicht für lange. In Wien wurde sie von Freunden nach Italien eingeladen, um an einem Film über Ballett zu arbeiten. Marina sagte zu, und dort lernte sie ihren zukünftigen Ehemann Luigi Freddi kennen, der 17 Jahre älter war als sie.

Luigi Freddi, bereits Leiter der Generaldirektion für Kinematographie, wurde später zum italienischen Kulturminister ernannt. Er organisierte das erste Filmfestival von Venedig und gründete und leitete 1937 die Cinecittà Studios, das größte Filmstudio Europas. Marina, die nun den Doppelnamen Schaljapina-Freddi trug, spielte in drei Filmen ihres Mannes mit.  

Sie war jedoch gezwungen, ihre Filmkarriere aufzugeben, als Luigi nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes der Kollaboration mit Mussolini beschuldigt, verhaftet und seines Vermögens beraubt wurde. Er wurde zwar bald wieder freigelassen, konnte aber nicht mehr arbeiten, so dass Marina den Lebensunterhalt der Familie bestreiten musste. Da sie fünf Sprachen fließend beherrschte, sehr gebildet war und sich in der Kunstgeschichte auskannte, fand sie schnell eine Anstellung bei der Italian Line, dem Betreiber eines transatlantischen Luxusdampfers zwischen Genua und New York, wo sie die Aufgabe hatte, die Passagiere der ersten Klasse zu unterhalten. In dieser Position wurde sie in den Rang eines italienischen Marineoffiziers erhoben.

Am Tag des 100. Jahrestages des Auftritts von Fjodor Schaljapin auf der Moskauer Bühne kam seine Tochter Marina Schaljapina-Freddie aus Rom in Moskau. Sie kam mit ihrer Tochter Angela. Sie besuchten den Nowodewitschi-Friedhof, wo sie sich vor den Überresten von F. Schaljapin verneigten.

Marina verbrachte, wie sie selbst sagt, 40 sehr glückliche Jahre mit Luigi. Er starb 1977. Sie überlebte ihn um 32 Jahre, ehe sie 2009 im Alter von 98 Jahren starb. Sie wurde auf dem Friedhof Laurentino in Rom in der Familiengruft der Freddi beigesetzt. Sie hatte alle ihre Geschwister überlebt. Bis zum Lebensende hatte sie Alkohol, Zigaretten, teure Autos und den Bohème-Lebensstil nicht aufgebeben. 

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