Der Debütroman der Schriftstellerin Gusel Jachina, „Suleika öffnet die Augen“ holte 2015 den Grand Prix des russischen Literaturpreises „Bolschaja Kniga” (Großes Buch).
Artyom Geodakyan/TASSWenn wir aber ein bisschen abstrakter denken, dann handelt der Roman von der Überwältigung des Mythos-Bewusstseins. Die Hauptprotagonistin ist die tatarische Bäuerin Suleika, die in einer geschlossenen, düsteren Welt lebt, in der neben dem Glauben an Allah auch Hausgeister und eine patriarchalische Gesellschaftsordnung existieren. So hätte sie auch weitergelebt, doch es passiert etwas und sie muss in die äußere Welt eintauchen.
Eine Reihe tragischer Ereignisse in ihrem Leben befreien sie auf wundersame Weise innerlich und verändern ihre Persönlichkeit.
Selbstverständlich. Liebe ist eines der wichtigsten Themen des Romans. Der zweite Hauptprotagonist ist ein Mann einer anderen Nationalität und Religion sowie aus einem anderen sozialen Umfeld. Die Tatarin Suleika ist Muslima, der Russe Iwan ist Kommunist. Zu Beginn sind sie zwei Gegenpole, aber nach und nach nähern sie sich einander an.
Das stimmt. In den ersten „Dorfkapiteln” sind reichlich tatarische Wörter vorhanden, die aber sehr gut zu den russischen Wörtern passen. Ich habe den Text absichtlich so geschrieben, dass man die Bedeutung der tatarischen Wörter aus dem Kontext heraus versteht und keine Übersetzung benötigt. Ich glaube, das schafft eine besondere Atmosphäre.
Übersetzer hatten andere Fragen an mich, die nichts mit tatarischen Wörtern zu tun hatten: was ich mit einigen russischen Synonymen meinte oder welche Bedeutung manche Gaunerwörter haben. Auch historische Fakten haben Schwierigkeiten bereitet.
Das Buch ist keine Autobiografie. Aus dem Leben meiner Oma habe ich lediglich die Periode zwischen 1930 und 1946 und den Weg aus einem tatarischen Dorf über Kasan, Krasnojarsk und den Fluss Angara an einen abgelegenen Ort übernommen. Dorthin wurden sie ohne jegliche Mittel zum Überleben vertrieben. Zudem habe ich zwei Erinnerungen meiner Oma in den Roman integriert: ein sinkendes Lastschiff mit ein paar Hundert Gefangener, die in ihm eingeschlossen sind, und ein verbannter Professor, der meiner Oma nach seinem eigenen Schulbuch Mathematik beibrachte. Alles andere ist entweder ein Produkt meiner Vorstellungskraft oder wurde aus den Memoiren der entkulakisierten Bauern übernommen, die vertrieben und in die Gulags geschickt wurden.
Meine Oma musste nach Sibirien ziehen, als sie noch sehr klein war. Dort wuchs sie mit ihren entkulakisierten Eltern auf. Für mich war es aber interessanter, zu verfolgen, wie sich eine erwachsene Frau verändert – die Protagonistin ist am Anfang des Romans 30 Jahre alt.
Schon als Kind habe ich viel geschrieben: Erzählungen, Krimis, Abenteuergeschichten und natürlich Gedichte. Ich habe eine Schulzeitung verlegt und bin später Redakteurin in einer regionalen Jugendzeitung gewesen. Die letzten zehn Jahre habe ich allerdings etwas Anderes gemacht und war unter anderem im Marketing tätig. Letztlich bin ich zu dem zurückgekommen, was ich immer gerne getan habe.
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