Lucia aus Italien: Wie Russen mein Leben veränderten

Anastasiya Karagodina
Russia-Beyond-Autoren aus aller Welt erzählen, wie die russische Mentalität ihre Weltsicht verändert hat. Lucia Bellinello aus Italien rät: "Wenn Sie nach Russland kommen wollen, müssen Sie Ihren Geist öffnen!"

Möchten Sie einen Direkt- oder Anschlussflug? Ein Visum mit einfacher oder mehrfacher Einreise? Werden Sie nur Moskau oder auch andere Städte besuchen? Das sind die typischen Fragen, die man bei den Vorbereitungen für eine Reise nach Russland gestellt bekommt. Doch niemand fragt, ob man bereit ist, sein Leben für immer zu verändern.

Und das obwohl Russland nicht nur ein mysteriöses Land ist, sondern man dort auch Leute trifft, die für die eine oder andere Überraschung sorgen und die bisherigen Vorurteile, die man hatte, infrage stellen.

Man gewinnt den Winter lieb

„Der Winter kommt bald. Er wird umwerfend sein, du wirst sehen.“ Diese Worte stellten sich für mich als eine wichtige Vorhersage heraus. Wie soll mir so ein kaltes Wetter gefallen? Die gefrorenen Hände und Füße, das Gewicht der schweren Winterkleidung... Aber Ada, meine Mitbewohnerin im Studentenwohnheim, hatte recht. Der Winter in Russland war magisch.

Ada hat nie begriffen, dass sie die erste Person war, die mein Leben in Russland verändert hat, indem sie mir die verborgene Schönheit des Winters und Schnees zeigte.

Sie war in der Lage, meine vorgefasste Meinung zu ändern. Von da an war der Winter für mich eine Zeit, in der man die alten, gemütlichen Wintermäntel rausholt, Winterspiele spielt und gemütliche Abende zu Hause mit Freunden verbringt.

Man bekommt einen anderen Sinn für Distanz

In Russland sind die Wege länger: Wenn man so große Entfernungen wie die zwischen Moskau und Wladiwostok kennt, kommt einem eine 1 000 Kilometer entfernte Stadt auf einmal nicht so weit entfernt vor, sagte mein Freund Sergej, als er mir einmal erzählte, dass er in der sibirischen Stadt Tomsk geboren wurde. Dieses Konzept war neu für mich und hat mir bei meinen zukünftigen Reisen sehr geholfen.

Man weiß ein „Nein“ zu schätzen und lernt, direkter zu sein

Für gewöhnlich sprechen wir dem Wort „Nein“ nicht die Bedeutung zu, die es verdient. Oft haben wir Angst, etwas abzulehnen, weil wir niemanden verletzen wollen. Doch eine Einladung ehrlich abzulehnen, ohne eine Ausrede oder Entschuldigung erfinden zu müssen, kann für Klarheit und Erleichterung sorgen, da man sich nicht mehr an das anstrengende „Protokoll der Höflichkeit“ und der „falschen Freundlichkeit“ halten muss.

Einmal schlug ich meiner Freundin Mascha vor, zu einem Konzert zu gehen. Ihre Antwort schockierte mich: „Nein, ich werde mich dort wirklich langweilen, da ich diese Art von Vorstellung nicht mag.“ Ich war verblüfft, dass sie eine Einladung so schnell und so ehrlich ablehnen konnte.

Warum sollte man auch Ausreden wie „ich werde beschäftigt sein“ oder „wir werden sehen“ erfinden, wenn man einfach eine ehrliche Antwort geben kann? Diese Direktheit und Klarheit, die keinen Raum für Missverständnisse lässt, mochte ich an den Menschen in Russland besonders.

Man betrachtet jede Situation aus einem anderen Blickwinkel

Eines Nachts verbrachte ich fast die ganze Zeit damit, über die Frage „Warum?“ nachzudenken. Warum erwartet man, dass der Freund einem die Tür öffnet und die Tasche hält? Warum ist das Konzept der Privatsphäre hier relativ? Warum ist es hier nicht normal, die Rechnung mit einem Mann im Restaurant zu teilen? In dieser Nacht hatte meine Freundin Dascha unendliche Geduld mit mir, hörte mir bei einem Kamillentee aufmerksam zu und zerstreute meine Zweifel.

Sie eröffnete mir eine neue Sicht auf die Dinge und offenbarte mir das Wesen der russischen Seele.

In diesem Moment begann ich, meine „Relativitätstheorie“ auf jede Situation anzuwenden und alles zu kontextualisieren, um die russische Mentalität zu verstehen und zu „entschlüsseln“.

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