Bemannte Raumfahrt: Ja oder Nein?

Bild: Konstantin Maler

Bild: Konstantin Maler

Die Leistungen Tausender Ingenieure helfen seit Jahrzehnten dabei, den Weltraum nach Antworten auf die Fragen der Menschheit zu durchpflügen. Aber muss der Mensch sich persönlich den Gefahren des Weltraums aussetzen? Der Kosmonaut Alexander Serebrow und der Schriftsteller Alexander Nikonow geben Pro und Kontra.

Alexander Serebrow, Kosmonaut und „Held der Sowjetunion": Wir müssen die Energieprobleme auf der Erde lösen!

Alexander Serebrow, Kosmonaut und „Held der Sowjetunion": Wir müssen die Energieprobleme auf der Erde lösen!

Momentan wird darüber diskutiert, ob wir eine bemannte Raumfahrt benötigen. Ich meine, wir brauchen sie. Wir geben für die Erforschung des Weltraums zu viel Geld aus, als dass die Technik den Menschen ersetzen könnte und die irdischen Probleme auf der Erde gelöst werden müssten. Der Mensch muss aus verschiedenen Gründen in den Weltraum fliegen.

Erstens ist es sehr interessant und nützlich zu beobachten, wie wir hier auf der Erde kilometerlange Formeln aufstellen und dann Schritt für Schritt alle überflüssigen Elemente eliminieren, auch wenn sie sich kaum auf die Schwerkraft auswirken. Aber im Weltraum wirken – für irdische Verhältnisse – superkleine Kräfte. Dies spielt für Wissenschaftler und Ingenieure eine große Rolle – besonders für jene, die die Weltraumtechnik projektieren.

Aber die Flüge vermitteln nicht nur wissenschaftlich-technisches Wissen. Für die Menschen ist der Weltraum deshalb interessant und von Bedeutung, weil er sich auf die Philosophie auswirkt. Ziolkowskij sagte seinerzeit, dass der Weltraum uns Berge an Brot, grenzenlose Möglichkeiten und eine neue Philosophie verschaffen wird. Jeder, der schon einmal im Kosmos war, wird zu einem Sektierer. Von dort, aus dem Weltraum, sieht man, wie winzig unser Planet ist; die Landmasse ist nicht sehr groß, rundherum ist alles aggressiv und wir verschlimmern mit unserem Fortschritt die Situation nur noch.

Vulkanausbrüche, Erdbeben, Stürme und alles andere, was in der Atmosphäre passiert, hängen mit der gewaltigen Energie zusammen, die von der Sonne auf die Erde gelangt. Aber auf der Erde selbst wird heutzutage immer mehr und mehr Energie produziert. Gegenwärtig beträgt der durchschnittliche Wirkungsgrad einer Wärmeturbine ungefähr 37 Prozent, was bedeutet, dass zwei Drittel des Treibstoffs in Form von Wärme durch den Schornstein verloren gehen. Dazu dann noch Kohle, Gas und Kernenergie – die menschenfeindliche Erwärmung der Atmosphäre führt dazu, dass die Zahl der Naturkatastrophen zunimmt. Der Spiegel der Ozeane steigt an – in den vergangenen fünfzig bis siebzig Jahren wurde dieser Anstieg bereits in Zentimetern gemessen. All diese globalen Veränderungen lassen sich aus dem Weltraum erkennen, wobei die Auswirkungen bereits wenige Monate später beim nächstfolgenden Weltraumflug zu beobachten sind.

Doch bemannte Raumflüge gestatten nicht nur die Erkenntnis, wie kritisch die Situation ist, sondern helfen auch, Auswege aus ihr zu finden. Zum Beispiel kann dank der Weltraumforschung die Energieerzeugung auf die Erdumlaufbahn verlagert werden und mit Mikrowellen auf die Erde

übertragen werden, wobei die Abwärme ohne schädliche Folgen für die Erde in den offenen Weltraum geleitet wird. Aber diese Technologie muss erst noch konstruiert werden. Doch wenn diese Apparate auf der Erde entwickelt würden, ohne die Bedingungen der Schwerelosigkeit aus der praktischen Erfahrung berücksichtigen zu können, wird die Technik nicht oder zumindest nicht optimal funktionieren. In keinem Fall wird die Technik den Menschen vollständig ersetzen und dessen Fehler und Fehlberechnungen kompensieren können.

Die Ressourcen unseres Planeten müssen wir gemeinsam nutzen: Die Erde kann nicht geteilt werden. Die Flüge in den Weltraum helfen uns dabei, dies zu verstehen und Probleme zu lösen. Um die entsprechenden Ergebnisse zu erzielen, bedarf es langfristiger Projekte und nicht etwa individueller Entwicklungen einzelner Länder. Und ich bin sicher, dass ungeachtet aller finanziellen, politischen und sonstigen Schwierigkeiten die bemannte Raumfahrt überleben wird.

 

 

Alexander Nikonow, Schriftsteller: Nichts als Propaganda!

 

Alexander Nikonow, Schriftsteller: Nichts als Propaganda!

Die Russische Föderale Weltraumagentur verkündete ihren Plan, bis zum Jahr 2030 einen Menschen auf dem Mond auszusetzen. Sogar vom Mars ist die Rede, dieser zieht schließlich ein größeres Publikum an.

Der Weltraum ist für Russland ein sehr wichtiges, aber auch schmerzliches Thema. In dem Land, das den ersten Satelliten und den ersten Menschen in den Kosmos befördert hat, wird jeder missglückte Start und jede Katastrophe sehr sensibel aufgenommen. Und jedes Mal spürt man das Verlangen: Lasst uns Revanche nehmen! Deshalb entstand auch die Idee, dass wir zum Mond oder Mars fliegen müssten, von denen die russischen und ausländischen fantastischen Schriftsteller so viel geschrieben haben.

Ich verstehe sehr gut, dass Kommunikations- und Navigationssatelliten benötigt werden. Die Erforschung des Weltraums ist ebenso notwendig. Aber diese Aufgaben bewältigen automatische Systeme viel besser, weil diese nicht erkranken und sich nicht irren können. Sie benötigen keinen Sauerstoff und keine Verpflegung. Und was hat der Mensch im Weltraum überhaupt vor?

Russlands größter Stolz ist Juri Gagarin, der erste Mensch in Weltraum. Aber was hat sein Flug der Wissenschaft eigentlich gebracht? Nichts. Ein Erfolg war er nur für die kommunistische Propaganda: Der Sowjetunion ist es als Erstes gelungen, einen lebenden Menschen in eine Stahlkonstruktion zu zwängen, eine Luke an der Kapsel festzuschrauben und anschließend diese mithilfe einer Rakete auf eine ballistische Flugbahn zu schießen. Zuvor hatte man berechnet, dass dieses Geschoss mit einem Bürger der Sowjetunion nach einer Erdumkreisung zurück auf die Erde fallen würde. Heute ist bekannt, dass die Chancen Gagarins auf eine unbeschadete Rückkehr bei 50:50 lagen.

Gagarin musste überhaupt nichts steuern. Genauso hätte man auch das Leben eines Hundes aufs Spiel setzen können. Was vor Gagarins Flug ja auch praktiziert wurde. Und er selbst hat das ja erkannt und sagte: „Ich verstehe bis jetzt nicht, ob ich der erste Mensch im Weltraum bin oder der letzte Hund."

Dann setzte der Wettlauf um die Eroberung des Weltraums ein. Die Sowjetunion wetteiferte mit den USA. Warum wollten die Amerikaner unbedingt als Erste auf dem Mond sein? Die Rückseite des Mondes hätte man auch mit automatischen Raumfluggeräten erforschen können. Das Mondgestein zur wissenschaftlichen Erforschung wurde auch mit Robotern zur Erde transportiert. Und Neil Armstrong hat eigentlich einfach nur einen Hopser gemacht.

In der Sowjetunion unter der Staatsführung Chruschtschows dienten nach Gagarin alle Weltraum-Raketenstarts lediglich dazu, der Weltgemeinschaft Sand in die Augen zu streuen: Der Weltraum war dem Generalsekretär lediglich als Propagandamittel wichtig. Chruschtschow schlug mit der Faust auf den Tisch und verlangte einen weiteren Rekord. Er wusste, dass die Amerikaner eine zweisitzige Raumkapsel entwickelten. Deshalb forderte er vom Chefkonstrukteur der sowjetischen Raketen, Sergej Koroljow, eine Kapsel für drei Kosmonauten.

Koroljow hatte begriffen, dass dies unmöglich war: Die Sowjetunion hatte weder mehrsitzige Raumschiffe noch Trägerraketen für diese und würde sie auch in den nächsten Jahren nicht haben werden. Den Ausweg fand

einer seiner Mitarbeiter, der Ingenieur Feoktistow. Er schlug Koroljow einen genialen Trick vor: den Flug dreier Menschen in einem einsitzigen Raumschiff, damit die ganze Welt dächte, wir hätten die Amerikaner erneut überholt. Und damit der Bluff nicht auffliegt, benennen wir das Raumschiff „Wostok" einfach in „Woschod" um, als wären es unterschiedliche Weltraumschiffe!

Aber passen denn drei Personen in ein einsitziges Raumschiff? Natürlich nicht. Wenn man allerdings die ganzen Geräte rausschmeißt, ein Minimum an Sauerstoff zur Verfügung stellt, die kleinsten und leichtesten Piloten auswählt, ihnen keinen Raumanzug mitgibt und sie vor dem Start auf Diät setzt, könnte man drei Menschen in die Kapsel quetschen.

Gedacht getan. Selbst auf Schleudersitze wurde verzichtet. In einer Notsituation hätten die „Passagiere" deshalb keinerlei Chance gehabt, gerettet zu werden. Zusätzlich verringerten sich die Überlebenschancen der Kosmonauten durch das Fehlen von Raumanzügen. Aber selbst in dünnen Jacken mussten sie in der einsitzigen Kapsel buchstäblich aufeinander sitzen.

Feoktistow erkannte, dass seine Idee einem tödlichen Abenteuer gleichkam und stellte sich selbst für diese Todesunternehmung zur Verfügung. Koroljow war damit einverstanden. Die Kosmonauten wurden also in die einsitzige Kapsel gepfercht und sahen aus wie Sardinen in einer Konservendose. Die Drei hatten in der Stahlkonstruktion so wenig Platz,

dass sie keinen der Schalter bedienen konnten – bis auf das Funkgerät. Aber selbst dieses benötigten sie nicht: Die Kosmonauten spielten bei diesen Flügen lediglich die Rolle lebendiger Mannequins.

Zum Glück für die Drei endete dieser riskante Flug erfolgreich. Die Welt war durch den Erfolg der Russen, die ein „dreisitziges" Raumschiff konstruiert hatten, wieder einmal erstaunt. Doch damit endete der Wettbewerb der beiden Systeme.

Haben wir nicht also genug Menschenleben aufs Spiel gesetzt? Wollen wir denn wirklich den Mond oder den Mars besiedeln? Wofür? Gibt es denn auf der Erde nicht genug Platz? In der gesamten Geschichte der Menschheit haben Kolonisten lediglich aus einem Grund nach neuen Siedlungsmöglichkeiten gesucht: aufgrund der hohen Geburtenrate. Der Überschuss an Menschen wurde aus Europa wie die Paste aus der Tube gedrückt. Aber inzwischen hat die entwickelte Welt dieses Problem gelöst – Platz gibt es zur Genüge.

Aber wenn man irgendwas kolonisieren will, warum dann nicht die Wüste Gobi? Dort sind die Lebensbedingungen ebenfalls unter aller Kanone. Auch dort gibt es kein Wasser. Das Temperaturgefälle zwischen Tag und Nacht ist ebenso beachtlich. Aber wenigstens gibt es dort Luft zum Atmen! Man könnte entgegnen, dass es dort doch nichts zu tun gibt. Aber gibt es denn etwa auf dem Mars mehr zu tun?

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