KAMAZ macht mit weit mehr als Dakar-Rennsiegen auf sich aufmerksam. Foto: ITAR-TASS
In der Zeit der Wirtschaftsdepression nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1996 machte ein nur Fachleuten bekanntes Unternehmen aus Tatarstan ein erstes Mal lautstark auf sich aufmerksam: Kamaz, ein Hersteller von Nutzfahrzeugen, gewann in der Truck-Kategorie die Rallye Dakar und ließ dabei westliche Firmen wie Ford hinter sich.
Dieses Gefühl sollten die Fahrer anderer Marken noch zehn weitere Male verspüren, allein siebenmal konnte „Der Zar von Dakar" Wladimir Tschagin gewinnen. Bei der diesjährigen Auflage konnten die Trucks von Kamaz alle Plätze auf dem Treppchen einfahren – wegen ihrer Sprünge über die hügelige Strecke auch die „fliegenden Trucks" genannt, sind sie wahrlich Überflieger.
Erinnerung an eine vergangene Zeit mit dem Blick in die Zukunft
Inzwischen ist Kamaz eine Art lebendes Fossil: eine sowjetische Marke, die den Übergang von der Planwirtschaft zum freien Markt überlebt hat und heutzutage auf der internationalen Bühne sogar erfolgreich ist.
„Kamaz hat die erfolgreichste Geschichte in der russischen Kraftfahrzeugbranche zu verzeichnen", sagt Oleg Dazkiw, Generaldirektor des führenden Online-Autohändlers auto-dealer.ru.
Daimler erwarb 2008 für ungefähr 185 Millionen Euro einen Anteil von zehn Prozent an Kamaz. Zu dieser Zeit begann der Lastwagenproduzent gerade, neue Märkte in Lateinamerika und Asien zu erschließen. Mittlerweile verkauft Kamaz mehr als 46 000 Lastwagen pro Jahr an Kunden im In- und Ausland, unter anderem auch an die russische Armee. Mit einem Jahresumsatz von 2,7 Milliarden Euro ist man zudem auch der größte Lastwagenhersteller auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion.
Die Partnerschaft mit Daimler ermöglichte Kamaz die Modernisierung seiner Flotte, die jetzt mit Cummins-Motoren und anderen Komponenten der ZF Friedrichshafen AG und von Knorr-Bremsen ausgestattet ist. Die Lastwagen kosten umgerechnet zwischen 37 000 und 75 000 Euro und sind damit im Schnitt zwischen 30 und 40 Prozent preiswerter als vergleichbare Fahrzeuge der europäischen und amerikanischen Konkurrenz. Das Unternehmen hat sich als Produzent kostengünstiger zweiachsiger Lastwagen in Entwicklungsländern bereits eine gute Marktposition erarbeitet.
Gerade in Schwellenländer sind die Fahrzeuge sehr beliebt
„Die Marke Kamaz genießt nicht nur in der ehemaligen Sowjetunion, sondern auch in anderen dynamisch wachsenden Märkten, wie Indien und der Türkei, einen sehr guten Ruf", sagt Roman Tktschuk, Analytiker bei Nord Capital. „Das Unternehmen hat das Potential, seinen Marktanteil in diesen Ländern weiter auszubauen, sobald die Produkte es durch die Investitionen und Technologie von Daimler auch mit den Fahrzeugen der Premiumhersteller aufnehmen können."
Außerdem hatte die Wirtschaftskrise von 2008 dafür gesorgt, den Anteil der einheimischen Lastwagenproduzenten auf dem russischen Markt (dem größten in Europa) von 28,1 auf 38,4 Prozent anwachsen zu lassen. Bei Neuanschaffungen griffen die einheimischen Unternehmen nun eher zu den preiswerteren Modellen russischer Hersteller, um so ihre Kosten zu senken.
Durch den Eintritt Russlands in die WTO sehen sich die Hersteller von Kraftfahrzeugen zwar einem höheren Konkurrenzdruck ausgesetzt, für das erste Halbjahr 2013 konnte Kamaz allerdings vermelden, den eigenen Marktanteil innerhalb der russischen Föderation bei den LKWs zwischen 14 und 40 Tonnen auf 45,4 Prozent gesteigert zu haben. Im vergangenen Jahr exportierte das Unternehmen auch 7 400 Fahrzeuge ins Ausland, größtenteils in andere GUS-Staaten. In Kasachstan, Turkmenistan und der Ukraine ist das Unternehmen daher ebenfalls Marktführer.
„Kamaz hat sich nie auf die Politiker in Moskau verlassen, wenn es um den Schutz vor der Konkurrenz aus dem Ausland ging", sagt Dazkiw. „Inzwischen ist Russland Mitglied der WTO und Kamaz ist eines der wenigen Unternehmen, das weiß, wie man sich selbstständig um Forschung und Entwicklung sowie das Marketing kümmert, um neue Qualitätsprodukte zu entwickeln und zu vermarkten."
Die Daimler AG setzt große Hoffnungen in Kamaz und den russischen Markt
Eine große Rolle spielt hier die Zusammenarbeit mit Daimler: Als die russischen Verbraucher ihr Augenmerk weniger auf einen niedrigen Preis und mehr auf eine hohe Qualität zu legen begannen, verkündete Kamaz ein ehrgeiziges Modernisierungsprogramm. Durch eine Investition von mehr als 1,5 Milliarden Euro und deutschen Technologien wird eine neue Produktreihe aus Lastkraftwagen des oberen Preissegments auf den Markt gebracht, die 2015 oder 2016 die Serienreife erreichen soll. Außerdem wird man bei Kamaz Fahrerhäuser und möglicherweise auch Motoren für die Daimler AG produzieren.
„Für die Zukunft planen die Daimler AG und Kamaz im Rahmen eines Joint Ventures auch Achsen in Russland zu fertigen", teilte Daimler in einer Presseinformation mit.
„Wir sind ideal aufgestellt, um zukünftig einen großen Nutzen aus dem Wachstum in Europas größtem Markt für Lastkraftwagen zu ziehen", kündigte Hubertus Troska, der damalige Leiter von Mercedes-Benz-Lkw, einem Geschäftsfeld der Daimler AG, bereits vor einiger Zeit an.
Kamaz betreibt gemeinsam mit der Daimler AG seit 2010 die Fabriken Mercedes-Benz Trucks Vostok (MBTV) und Fuso Kamaz Trucks Rus (FKTR), in denen die Mercedes-Benz-Modelle Actros, Axor, und Atego sowie der Fuso Canter produziert werden. „Mit unserem technologischen Sachverstand helfen wir Kamaz, dessen starke Position auf dem russischen Markt auszubauen", sagt ein Vertreter von Daimlers Nutzfahrzeugsparte, Stefan E. Buchner.
Kamaz plant, den Gesamtausstoß seiner eigenen Marke auf 80 000 Lastwagen pro Jahr zu steigern, ein Viertel davon sind für den Export vorgesehen. Damit soll der Jahresumsatz innerhalb der nächsten sieben Jahre auf nahezu neun Milliarden Euro gesteigert werden. „Kamaz hat eine gute Chance, in ein paar Jahren Lastwagen mit amerikanischer Qualität zu einem wesentlich niedrigeren Preis anzubieten", sagt Sergei Udalow, Geschäftsführer der Marktforschungsagentur Avtostat.
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