Wenn Sie als Russe ins Ausland reisen oder sogar dort leben, sind Sie bestimmt ein Spion, ein Überbleibsel des Kalten Krieges. Auf jeden Fall trinken Sie Unmengen Wodka. Und Sie sind immun gegen Kälte. Das wird zumindest jeder denken, dem Sie begegnen. Einige sind womöglich echt überrascht, wenn Sie weder im Pelzmantel noch mit Uschanka mit Hammer und Sichel herumlaufen.
„In Kanada russisch zu sein ist ein Leben voller Wodka-Witze, Referenzen aus dem Kalten Krieg und der Frage, ob man ein Spion sei“, sagt die 22-jährige Russin Tamara Mitrofanowa, die in Vancouver lebt.
Klischees verfolgen Russen auch jenseits der westlichen Hemisphäre. „Ich bin es gewohnt, dass Freunde und Verwandte mich ‚unser KGB-Mädchen‘ oder ‚russische Spionin‘ nennen, schreibt die Journalistin Maria Grigorijan, die von Moskau nach Kroatien gezogen ist.
Allgemein bekannt ist, dass die russische Seele nach Wodka verlangt. Schon zum Frühstück müssen wir die erste Flasche leeren, damit wir einen weiteren Tag unseres elenden Daseins überstehen.
Aber, Überraschung: es gibt Russen, die trinken, aber es gibt auch solche, die wenig oder gar nicht trinken! Na sowas!
Ivan Drago drohte dem beliebten Rocky Balboa, James Bond wäre beinahe Opfer von Xenia Onatopp und dem russischen General Arkady Ourumov, geworden. Bruce Willis jagte den russischen Oligarchen Juri Komarow, der mit Uran handelte... Diese Liste ist schier endlos. Russen scheinen einfach perfekte Bösewichte zu sein, vielleicht wegen ihres harten Akzents oder weil für Hollywood der Kalte Krieg nie enden wird.
Russische Staatsangehörige können 126 Länder ohne Visum besuchen (oder bei Einreise eines erhalten). Doch in diese Länder wollen die meisten Russen überhaupt nicht. Entweder sind sie zu nah, wie Kasachstan oder Weißrussland, oder zu weit, wie Südafrika oder Brasilien.
Was die Russen wirklich ärgert ist die Visapflicht bei Reisen in den Schengen-Raum, denn die EU ist ein beliebtes Reiseziel vieler russischer Staatsbürger.
Für diejenigen, die im Osten des Landes leben, ist die Visumpflicht jedoch nicht einmal die größte Herausforderung. Stellen Sie sich vor, Sie leben in Irkutsk und planen eine Reise nach Paris. Stellen Sie sich auf mindestens zwei Umstiege und rund 20 Stunden Reisezeit ein. Und dabei ist Irkutsk verglichen mit anderen Städten sogar noch zentral gelegen …
Wenn Sie alle Visa-Hürden genommen haben, sich die teuren Tickets leisten konnten und nach vielen Stunden Reisezeit endlich am Ziel angekommen sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie als erstes auf Landsleute treffen. Nun verreisen manche Russen extra, um mal keine Russen sehen zu müssen. Doch auch diese können ein Visum beantragen und verreisen.
Betrunkene Russen mit schlechtem Benehmen haben sich ins Gedächtnis vieler Touristen eingebrannt. Dieses Phänomen gab es häufig in Ländern wie der Türkei, Ägypten und Thailand, als diese für die Russen zu erreichbaren Zielen wurden.
Unter harmloses Verhalten fallen Pöbeleien und Schlägereien. Schwerer ins Gewicht fällt schon der Versuch, während des Fluges die Kabinentür zu öffnen. Die Russen haben sich ihren Ruf, zu den schlimmsten Touristen der Welt zu gehören, hart erarbeitet. Und obwohl wir Russen wissen, dass es so schlimm gar nicht ist, gehen wir unseren Landsleuten im Urlaub ebenfalls lieber aus dem Weg.
Ein schwerer Wintermantel über einem Pullover, über einem Hemd, über einem Unterhemd - so kleidet sich ein durchschnittlicher Russe im Winter. Der Winter dauert in weiten Teilen des Landes fast ein halbes Jahr. „Ich hasse Mützen, ich hasse schwere Stiefel und ich hasse formlose, farblose Kleidung an allen, auch an mir“ schrieb Quora-User Dima Worobjew über das russische Joch, warme Kleidung tragen zu müssen.
Schlimmer als die Kälte ist der Schneematsch. Millionen Russen trage ihre Winterstiefel höchstens eine Saison lang. Länger halten sie nicht. Es ist auch kaum möglich, im Winter saubere Schuhe zu tragen. Der feuchte Schnee und Streusalz lassen selbst die schicksten und robustesten Stiefel rasch alt aussehen.
Russen lieben Shopping. Wir folgen gerne Trends und wollen immer das neueste iPhone haben. Leider sind beliebte ausländische Produkte bei uns oft deutlich teurer. Einfuhrsteuern, Wechselkursschwankungen zwischen Schwankungen des Verhältnisses von US-Dollar und Rubel sowie die Lieferkosten summieren sich häufig. Nehmen Sie das neueste iPhone Modell: ein iPhone 11 Pro mit 512 GB kostet in den USA 1.450 US-Dollar und in Russland 130.000 Rubel (2.100 US-Dollar) - das sind 650 US-Dollar mehr!
Ein Paar Nike Air Max 90 kostet in Moskau um die 183 US-Dollar, im Ausland nur 120.
Dies mag aus Ihrer Sicht nicht so schlimm erscheinen. Doch glauben Sie uns: es ist ein Albtraum. Es gibt keine verlässlichen Studien darüber, wie sich das Lesen von Dostojewskis detaillierten und langwierigen Beschreibungen von Leid und Leiden auf die psychische Gesundheit der russischen Gymnasiasten auswirkt, aber es kann nichts Gutes dabei herauskommen.
Der Anblick der vier Bände von Tolstois Magnum Opus „Krieg und Frieden“ und die plötzliche Erkenntnis nach wochenlangem Zögern, dass man es nun wohl doch lesen muss, haben schon Millionen russischer Teenager ins Elend gestürzt. Doch es scheint kein Entrinnen aus diesem Teufelskreis der „privilegierten Bildung“ zu geben.
„Die Russen schreiben Sätze mit 300 Worten und 60.000 Seiten, so wie Leo Tolstoi. Gut, das mag etwas übertrieben sein, aber so fühlt es sich an! Vergleichen Sie es mit Hemingways Stil“, schrieb Anthony Antich über das frustrierende Schicksal ein Russe zu sein, auf Quora.
Wir sind da grundsätzlich einer Meinung mit ihm. Aber was ist mit Harry Potter?
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!